Die letzten 2 Jahre

Vor genau 2 Jahren haben wir unseren kleinen Verein Fanajana e. V. gegründet. Es ist also Zeit einmal kurz zurückzublicken, zu resümieren und zu überlegen, wie es weitergehen soll.

Vorrangiges Ziel unseres Vereins ist nach wie vor die Verbesserung der Qualität der Betreuung und Behandlung schwangerer Frauen, Gebärender und ihrer Neugeborenen in unterprivilegierten Regionen der Welt, zu denen leider zuvorderst auch Madagaskar zählt.

Fanajana ist ein Wort aus der madagassischen Sprache und bedeutet so viel wie achtungsvoll oder auch respektvoll. Auf genau diese Weise möchten wir unsere Hilfe zur Selbsthilfe weitergeben.

Fanajana e. V. ist nur ein Mittel zum Zweck. Nur weil wir uns alle und auf unterschiedliche Arten ein wenig einbringen, können wir damit schließlich - in kleinen Schritten – schlechte Umstände wenigstens etwas zum Besseren verändern.

Warum engagieren wir uns gerade in Madagaskar? Madagaskar gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. 92% der Bevölkerung leben von weniger als 2 Dollar am Tag. Für die Gesundheit der Menschen bleibt wenig übrig, Pflegepersonal ist mehr als knapp – selbst im Vergleich zum afrikanischen Durchschnitt.

Besonders dramatisch ist die Lage im Süden des Landes: In der Trockenzeit ist Wasser knapp. In den kleinen Wasserlöchern der ausgetrockneten Flussbetten wird Wasser geschöpft, gebadet, gewaschen.
In der Regenzeit dagegen kann das Wasser nicht in den Boden eindringen, die Pisten sind dann kaum noch passierbar
Selbst Gesundheitszentren stehen dann unter Wasser.

Patienten werden in Madagaskar häufig im Ochsenkarren über viele Kilometer in ein Gesundheitszentrum oder in eine Klinik gebracht. Wenn so ein Ochsenkarren aber im Schlamm steckenbleibt oder damit reißende Flüsse nicht überquert werden können oder einfach auch das Geld für einen Ochsenkarren fehlt, müssen die Patienten getragen werden - oder kommen eben nie dort an.

Ochsenkarren

Viele kommunale Gesundheitszentren und die wenigen Kliniken im Süden sind in einem desolaten Zustand. Es fehlt an Infrastruktur, Ausstattung, Medikamenten.

Im Süden des Landes kann nur jedes zweite Kind zur Schule gehen. Im ganzem Land sind mehr als 20 % der Erwachsenen Analphabeten. Über 50 % der erwachsenen Frauen im Süden sind Analphabetinnen. Erst Bildung aber ermöglicht auch eine selbstbestimmte Familienplanung (und umgekehrt). Für die meisten Mädchen – soweit sie denn überhaupt zur Schule gehen können – endet die Schulzeit spätestens mit der ersten Schwangerschaft – und das ist hier meistens schon im Alter von 13, 14 Jahren der Fall.

Die staatliche Hebammenausbildung in Madagaskar ist sehr kurz und wenig umfassend. Junge Absolventinnen werden häufig in abgelegene Gesundheitszentren geschickt und sind dort buchstäblich alleingelassen. Und sie haben dort nicht nur Schwangere und Gebärende zu versorgen, sondern kümmern sich um alles und jeden: um mangelernährte Kleinkinder, um Kinder mit Malaria, um Schlaganfallpatienten, usw., aber auch um Verunfallte und Verletzte.

Dr. Martin Frank während einer Fortbildung

Wir waren in den letzten 2 ½ Jahren bereits 4 Mal zu Fortbildungszwecken in Madagaskar. Unser Hebammen-Unterricht besteht aus Theorieteilen, aus praktischen Übungen und wir nehmen selbst auch aktiv an Behandlungen teil (on-the-job training) und reflektieren anschließend gemeinsam das Geschehen.

Claudia Schweppe-Unruh und Tsiory
Während einer Fortbildung
Unsere Dolmetscherin Fyh.

Um uns besser Verständigen zu können - nicht alle Hebammen und die wenigsten Schwangeren sprechen in Madagaskar Französisch, was ja eigentlich die offizielle Landessprache ist – haben wir bei unseren Einsätzen immer eine Dolmetscherin dabei. Hier sieht man unsere Übersetzerin Fyh, die nahezu perfekt Deutsch, Französisch und Madagassisch spricht.

Desolates Kreißbett

Und so sieht es drinnen aus. Auf dieser Liege bekamen die Frauen bis November letzten Jahres ihre Kinder! Bis dann ein Putz- und Handwerker-Team für bessere Verhältnisse sorgte.

Putzteam
Improvisieren
Es ist wieder zu benutzen

Viele der kommunalen Gesundheitszentren im Süden sind in einem desolaten Zustand. Es fehlt an Infrastruktur, aber vor allem auch an Ausstattung und Medikamenten.

Christian und Tsiory

Peu à peu versuchen wir hier mit Fanajana-Spendengeldern zu helfen, indem wir zum Beispiel bei einem lokal ansässigen Tischler Regale, Tische, Stühle und Betten fertigen lassen. Das ist Christian « unser » Schreiner . Daneben Tsiory, eine der Hebammen

Tsiory, die Hebamme vom Gesundheitszentrum in Gogogogo (Go4) freut sich natürlich sehr über die neuen Möbel.
Der Drucker!

Außerdem finanzierten wir ihr auch noch einen Drucker, den sie sich so sehr gewünscht hatte. Bisher mussten die Patienten und Angehörigen für Bescheinigungen (z. B. für Geburts- und Todesbescheinigungen) immer ins 30 Km entfernte Ejeda laufen. Jetzt kann Tsiory das direkt hier ausdrucken und spart den Menschen damit viel Mühe.

Und sie sagt hierfür auf ihre Art MERCI BEAUCOUP!

In den letzten beiden Jahren ist es uns mit Hilfe Eurer Spendengelder gelungen 2 Gesundheitszentren mit fließend Wasser auszustatten, ja sogar mit Trinkwasser. Dazu wurde in Go4 ein vorhandener, aber versiegter Brunnen tiefer gegraben und in Lazarivo wurde ein 16 m tiefer Brunnen komplett neu gegraben. In die Brunnen wurden kleine, mit Solarstrom betriebene Pumpen versenkt, die das Wasser jetzt permanent in ebenfalls neu gebaute Wassertürme fördern. Jeder Turm fasst 7.000 Liter. Von dort fließt das Wasser über Leitungen direkt in die CSBs, zusätzlich gibt es aber immer auch eine externe Entnahmestelle für die Dorfbevölkerung. Jedes Wasserprojekt hat ungefähr 22.000 Euro gekostet.

Eröffnung Lazarivo
Hery, Clauda und Fhy

Beide Wasserprojekte wären so allerdings nie möglich gewesen, hätten wir nicht einen wunderbaren madagassischen Ingenieur namens Hery kennengelernt (roter Pfeil). Er zeichnet für uns die Baupläne, berechnet die Statik, besorgt sich geologische Gutachten zum Wasservorkommen und zur Wasserqualität, führt die Bauaufsicht und kommuniziert permanent und verlässlich übers Internet mit uns, wenn wir nicht selbst vor Ort sind. Er hat unser absolutes Vertrauen und wir hoffen, noch viele Projekte mit ihm durchführen zu dürfen. Und Fyh übersetzt gerade mal wieder alles in Echtzeit ;-)

Gogogogo
Übergabe des Wasserturmes in Go4

Zum Thema « Nachhaltigkeit » : Die Baufirmen der Wasserprojekte geben in Madagaskar immer 1 Jahr Garantie auf alles (Funktion, Material, Verschleißteile etc.). Danach muss die Gemeinde allfälliche Kosten selbst tragen und entsprechend Rücklagen bilden. Auch eine Wasserwache muss organisiert und bezahlt werden. Das ist nicht einfach, wenn man so etwas noch nie organisiert hat. Wir waren dabei als unser Wasserprojekt von 2018 in Go4 an die Gemeindeführer übergeben wurde. Wir sind sehr gespannt, ob sie diese Aufgabe bewältigen werden.

Im Juni letzten Jahres - wir waren gerade auf dem Heimweg von einem Gesundheitszentrum zu unserer Unterkunft in Ejeda – hat uns dieser junge madagassische Arzt Dr. Rinja, einmal zu einer kleinen Grundschule auf dem Land « entführt ». Ihm war diese kleine traurige Schule einmal im Rahmen einer Impfkampagne aufgefallen und er fragte uns, ob wir uns das nicht einmal ansehen könnten.

Eingang zur Schule
Die Schule "Sevaseva"

Das ist die Schule, sie heißt Sevaseva, was so viel wie Busch oder Wald heißt. Das ist eine Schule für 230 (!) Kinder im Alter von 5 – 15 Jahren.

Der Anblick dieser Schule war wirklich so desolat, man konnte es nicht glauben. Ich habe mich dann an einem Schultag noch einmal überzeugen müssen das tatsächlich hier Kinder unterrichtet werden.

Die beiden Klassenzimmer.

Und so sieht es drinnen aus, das sind die beiden Klassenzimmer. Das Strohdach hat riesige Löcher und man kann sich leicht vorstellen, was hier in den Regenzeiten passiert.

Die Lehrerin (rechts), der Schuldirektor (links) und eine der insgesamt 6 Klassen.

Hier sieht man die Lehrerin, den Schuldirektor und eine der insgesamt 6 Klassen. Da es nur 2 Klassenzimmer gibt, getrennt nur durch eine halbhohe Lehmmauer, können die Kinder nicht jeden Tag, sondern nur jeden zweiten Tag zur Schule kommen.

Dr. Rinja, mit dem wir jetzt schon seit über 2 Jahren im Bereich der Hebammenweiterbildung zusammenarbeiten, hatte natürlich einen « Hintergedanken » und einen guten Plan, als er uns zu dieser armseeligen Schule mitnahm. Es war allerdings nicht besonders schwer uns und unsere Fanajana-Mitstreiter davon zu überzeugen, daß hier etwas geschehen sollte. Nach einer mehrwöchigen gemeinsamen Planungsphase stand schließlich der Kostenvoranschlag einer kleinen Baufirma und des Möbelschreiners fest. 16.000 Euro sollte eine komplett neue Schule mit gemauerten Wänden, 3 separaten Klassenzimmer und einem Wind- und Wetter dichten Blechdach kosten. Im Preis inbegriffen waren außerdem sämtliche Schulmöbel, drei große neue Schultafeln und 2 Toiletten sowie ein Pissoir für die Jungs. Und Dr. Rinja musste sich uns und der Schule gegenüber verpflichten, im Rahmen des Biologie-Unterrichts FAMILIENPLANUNG zu unterrichten. Unglaublich aber wahr: Der Baubeginn war Ende August und die feierliche Einweihung fand bereits im Rahmen unserer letzten Reise im November 2019 statt.

Und das der Blick von vorn im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten. Rechts die 3 Lehrerinnen und der Schuldirektor.

Eröffnungsfeierlichkeiten. Rechts die 3 Lehrerinnen und der Schuldirektor.

Unsere Übersetzerin Fyh, war bei der Eröffnung der Schule sehr berührt, kommt sie doch selbst aus so einer kleinen Dorfschule.

Fhy übersetzt wieder einmal in Echtzeit

Nun spricht sie vier Sprachen nahezu perfekt. Ein Anlass für uns, Fyh als kleinen Motivationsschub für die Kinder zu nutzen.

Rückansicht der Schule
Die Schule von vorne

Drei separate, jeweils gleich große Klassenszimmer sind entstanden. Jedes Klassenzimmer hat zwei Fenster und eine Tür, Schulbänke, Lehrertisch und Stuhl sowie eine große Schreibtafel.

Klassenzimmer
Im Hintergrund (oben links) sieht man die beiden neuen Toiletten.

Wie soll es nun dieses Jahr weitergehen?

Wir möchten auf jeden Fall auch dieses Jahr unsere Hebammen-Fortbildungen in den ländlichen Gesundheitszentren im Süden den Landes fortsetzen. Das ist und bleibt zunächst auf jeden Fall unser Schwerpunkt. Hier kennen wir uns am besten aus und wissen auch aus eigener Anschauung, dass da noch sehr viel Bedarf besteht. Dazu reisen Claudia und ich voraussichtlich wieder im November nach Madagaskar. Dieser Ansatz hat einen großen nachhaltigen Wert.

Darüber hinaus wollen wir aber auch überprüfen und sicherstellen, dass auch unsere Wasserprojekte in Go4 und Lazarivo und unser Schulprojekt in Sevaseva nachhaltig wirken und fortbestehen. Fragen denen wir hier nachgehen wollen sind zum Beispiel: Können die Hebammen und Pfleger in Lazarivo mit der neuen Wasseranlage umgehen? Wie kommt die Dorfbevölkerung dort damit klar? Schaffen es die Gemeindemitglieder von Go4 nötige Rücklagen zu bilden und können sie allfällige Reparaturen erfolgreich in Auftrag geben? Wie hat die neue Schule in Sevaseva die große Regenzeit im Dezember und die kleine Regenzeit im Frühjahr überstanden? Ist das Blechdach-Problem (Lärm bei Regen, Hitze bei Sonneneinstrahlung behoben? Halten die Schulmöbel stand? Wie geht es den Schülern und wie den Lehrerinnen? Bringen wir uns selbst auch noch im Biologie-Unterricht mit ein?